Technik Speerwerfen - Schlüsselstellen der Bewegung
 
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Was ist wichtig beim Speerwerfen?
Maximal vereinfacht kann festgestellt werden, dass man beim Speerwerfen für weite Würfe lediglich zwei Ziele erreichen muss:
eine hohe Abwurfgeschwindigkeit und eine gute Kontrolle des Speers beim Abwurf.
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Aus Untersuchungen bei sehr guten Werfern kann extrapoliert werden, dass diese...

 - höhere Anlaufgeschwindigkeiten und einen schnelleren Stemmschritt
 - einen längeren Zugweg
 - eine kürzere Zugdauer
 - einen kleineren Kniewinkel in der Vorbereitungs- und Übertragungsphase
 - grössere Reaktionskräfte beim Bodenkontakt der Füsse erzeugen
 - kleinere Schulter-Abduktions-/Adduktionswinkel im Abwurfzeitpunkt

....haben, als schlechtere Werfer
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 Die vier wichtigsten Technik-Schlüsselstellen beim Speerwerfen

 
 
Nachfolgend werden zwölf Schlüsselstellen mit wichtigen Beobachtungspunkten erläutert. Wenn man Reihenbilder aus einem Video erstellt, könnte man folglich genau diese Zeitpunkte rauspicken, um möglichst viele Erkenntnisse zu gewinnen.

Download
Video des Musterwurfs unten

Die Ausführung deines Athleten kann/wird sich natürlich von der hier dargestellten Ausführung von Nathalie Meier (19j) unterscheiden! Und noch was: obschon sie eine für ihr Alter sehr gute Technik hat, werdet ihr auch bei ihr einige Dinge zum verbessern entdecken.
 
1. Kniekulmination zum Impulsschritt
Beobachtungspunkte
- Länge des Schrittes?
- Wie ist die Zugbeinposition? Wie hoch ist das Knie?
- Wie ist die Oberkörperneigung?
- Kniewinkel des hinteren Beins?
- Speerspitze kopfnah? Speer flach? Blickrichtung?
- Höhenkette: Schulter-Ellbogen-Hand?
Zeitpunkt
Vorderes Bein im Kulminationspunkt vor dem Senken zum Setzen des Impulsschritts.
Erkenntnis
Ein für den Trainer sehr aufschlussreicher Zeitpunkt, weil sich hier die ersten Anzeichen von Fehlerursachen bereits abzeichnen. Der Impulsschritt wird bereits hier entscheidend vorgespurt! Der Schritt zum Impulsschritt sollte nicht länger sein, als die vorherigen, weil es den Athleten sonst abbremst und nach oben abhebt.
 
2. Setzen Impulsschritt-Zugbein
Beobachtungspunkte
- Wie weit ist der Aufsatz vor dem Körper
- Fussaufsatz: Auf Ballen? Über Ferse? Ganze Sohle?
- Wie ist der Fuss-Aufsatzwinkel zur Wurfrichtung?
- Wie ist die Hüftposition

- Speerspitze kopfnah und flach?
- Wurfarm-Handgelenk gestreckt?
- Höhenkette: Schulter-Ellbogen-Hand?
Zeitpunkt
Vorderes Bein setzt zum Impulsschritt auf
Erkenntnis
Die Oberkörper-Position der Stemmbeinphase wird hier ganz entscheidend geprägt. Je mehr vor dem Körper und über die Ferse der Aufsatz ausgeführt wird, desto stärker wird die spätere Rücklage sein. Aufsatz über die Ferse bedeutet ferner immer eine Abbremsbewegung des Anlauftempos.
 
 3. Überkreuzen
Beobachtungspunkte
- Unterschenkel-Winkel überholendes Bein?
- Fuss unter Knie?
- Kniet der Athlet im hinteren Bein an?
Zeitpunkt
Hinterer Fuss überholt vorderen Fuss
Ist der Fuss des überholenden Beins unter dem Knie, so weist das auf eine kniegesteuerte Überholbewegung hin. Ein deutliche Anknien im hinteren Bein weist auf eine zu aktive Hubbewegung hin. Auspendeln mit dem Unterschenkel nach vorn ist zu korrigieren.
 
4. Ende Impulsschritt-Zug (die "Bananenposition")
Beobachtungspunkte
- Wo zeigt die Biegung der "Banane" hin? Krümmung?
- Abdruckwinkel des Zugbeins?
- Wohin zeigt das Fussgelenk? Ist es nachschlagend?
- Position von Zugbein / Hüft / Oberkörper

- Veränderung der Gegenarmposition?
- Veränderung des Oberkörpers gegenüber 1)
Zeitpunkt
Vorderes Bein verlässt nach dem Impulsschritt-Zug den Boden
Die Bananenposition von Oberkörper und vorderem Bein zeigt, wie stark und wohin die Kraft wirkt. Auch der Abdruckwinkel des Zugbeins gibt Hinweise auf die Kraftrichtung. Ein aktiver Fuss schlägt nach. Ein Vergleich mit dem Setzen Impulsschrittaufsatzpunkts kann zudem einen zu langen oder zu kurzen (und daher ineffizienten) Impulsschritt-Zug entlarven.
 
5. Setzen Fuss-Spitze Druckbein
Beobachtungspunkte
- Vorderer Fuss deutlich vor dem Druckbein
- Winkel Druckbein - Boden!
- Fuss-Spitze des Druckbeins vorgespannt
- Körperrücklage-Winkel okay?
- Gegenarm vor Körper? Schulterachse in Wurfrichtung?
Zeitpunkt
Druckbein-Fuss berührt erstmals Boden
Am wichtigsten ist hier, dass der vordere Fuss bereits vor dem Druckbein ist: eine zwingende Voraussetzung für einen schnellen Stemmschritt. Das Druckbein soll nicht zu spitzwinklig oder zu stark vor dem Lot der vorderen Schulter aufsetzen, sonst wird zu viel Tempo abgebremst. Der Oberkörper soll noch schön geschlossen bleiben und die Schulterachse öffnet kein Stück => Kraft druckbeinseitige Rumpf-/Bauchmuskulatur genügend?
 
6. Belastung Druckbein (Amortisation)
Beobachtungspunkte
- Gegenschulter im Lot über Druckbeinfuss
- Wurfarm-Höhenkette (v.a. Ellbogenhöhe)
- Gegenarm hält Körper immer noch zu
- Aufsetzwinkel Druckbeinfuss?
- Winkeländerung im Knie? Knierichtung?
- Wie sehr / wie lange wird Ammortisiert?
- Wie weit vorn ist das Stemmbein bereits?
Zeitpunkt
Druckbeinfuss "empfängt" Gewicht
Genau in diesem Moment beginnt die Geburt eines guten Wurfes! Dies ist eine der zentralsten Beurteilungspositionen, die viel über die Dynamik und Effizienz des folgenden Wurfs aussagt! Schulterachse und Gegenarm sollen noch geschlossen bleiben (Verzögerung! Im Oberkörper ja nicht rotieren/aufreissen), während in Knie und Fussgelenk hingegen eine aktive Dreh-Schieb-Arbeit beginnt. Nicht absacken...weder in Knie/Hüft noch in der Wurfarmhöhe! Der Stemmbeinfuss soll bereits weit flach vorne sein. Je schneller ab jetzt die Ferse des Druckbeins wieder hochkommt und zusammen mit dem Knie rotiert, desto besser.
Vergleich und Vorteile
 
7. Hintere Hüfte vor Druckbein-Knie
Beobachtungspunkte
- Druckbeinferse hoch
- Druckbeinknie und -fusspitze drehen klar nach vorn
- Schulterachse noch immer geschlossen
- Gegenarm noch vor dem Körper
- Wurfarm-Höhenkette: Schulter-Ellbogen-Hand?
Zeitpunkt
Die hintere Hüftkante ist im Lot über der vorderen Druckbeinknie-Kante.
In diesem Zeitpunkt zeigt sich, ob die Druckbeinarbeit auch wirklich aktiv ist. Und man sieht, ob und wie gut die Verwringung aufgegleist ist: die Beinarbeit und das Eindrehen der unteren Extremitäten soll deutlich erkennbar vor dem Oberkörper fortgeschritten sein! Jetzt beginnt sich zu zeigen, wieviel Anlauftempo über die Schlüsselstelle der Druckbeinlandung in den Stemmschritt rübergeleitet wurde.
 
8. Stemmbein-Ferse berührt Boden
Beobachtungspunkte
- Schrittlänge optimal (genügend gross)
- Stemmfussaufsatz über die Ferse "klappen"
- steile Druckbeinferse
- Druckbeinfuss und -knie ganz eingedreht
- Druckbein mit Zehenballen-Kontakt (und Gewicht)
- Schulterachse noch immer geschlossen
- Gegenarm vor dem Körper (je nach Beweglichkeit)
Zeitpunkt
Stemmbein-Ferse berührt den Boden
Beim Bodenkontakt zeigt sich, ob die Körperposition der Verwringung fürs gleich folgende "Aufladen" der Spannungsbögen okay ist. Eingedrehte Knie/Füsse sollen einer möglichst grossen Aufdreh-Reserve im Oberkörper gegenüberstehen.
 
9. Stemmbein-Fuss runtergeklappt
Beobachtungspunkte
- gesamtes Druckbein nach vorn gedreht
- Zehen Druckbein dürfen noch Bodendruck geben
- Schulterachse beginnt jetzt mit Öffnen (Bogen spannt)
- Stemmbein bleibt gestreckt
- Wurfarm-Höhenkette: Schulter-Ellbogen-Hand?
Zeitpunkt
Stemmfuss hat auf die Sohle runtergeklappt
Eine der wichtigsten Bewertungspositionen! Wenn man hier bei eingedrehtem Druckbein und runtergeklapptem Stemmbein beide Schultern noch so schön geschlossen sieht wie auf diesem Bild, dann ist eine grosse Rotationsreserve vorhanden, die durch die vorher geleistete(!) Druckbeinarbeit eine grosse Spannung aufgeladen hat, die es nun -ganz von alleine- in Oberkörper/Schultern/Arm überträgt. Es darf hier nicht zu einer völligen Entlastung aufs vordere Bein kommen (in den Wurf fallen)!

Insbesondere an meine Schweizer Trainerkollegen gerichtet: Mit dem Runterklappen ist das Eindrehen der Hüfte abgeschlossen! Genau hier arbeitet der Werfer eben nicht mehr mit der Hüft willkürlich weiter (er/sie KANN es gar nicht; es geht zu schnell!!!), wie das einige ältere Ausbildungskollegen irgendwann mal doktrinierten! "Es" dreht hier nur noch "von selber" die Rotationsreserve im Rumpf auf; und dies weil man sich vorher richtig positioniert hat. Bitte notieren...und erzählt es jedem weiter den ihr seht;-)
 
10. Maximale Spannung
Beobachtungspunkte
- Spannungsbogen? Brust- oder Rückenzentriert?
- Ellbogenhöhe? Arbeitsrichtung des Ellbogens?
- Position und Fixierung des Gegenarms? Überrotation?
- Schrittlänge? Schleifkontakt?
- Stemmbeinstreckung?
- Stemmbein-Winkel?
- Stemmbein-Hüftpostition?
Zeitpunkt
Ellbogen passiert Kopfhöhe
Hier sieht man, wie viel Energie mit welcher Qualität übertragen wird. Auch betreffend Beweglichkeit lässt sich aus einem Standbild dieses Wurfzeitpunkts viel herauslesen. Eine grosse Stemmschrittbreite und ein "klebender" Schleifkontakt weisen auf einen guten Wurf hin. Den Gegen-Unterarm soll man immer sehen können, da die Blockseite keinesfalls nach hinten weiterrotieren darf.
 
11. Abwurf: Gerät verlässt die Hand
Beobachtungspunkte
- Abwurfpunkt im Lot über dem Stemmfuss
- Hoher Abwurfpunkt: Linie Schleiffuss zur Wurfhand
- Ausschlagen im Handgelenk
- Stemmbein gestreckt und ganze Sohle am Boden
- Blockseite/Gegenarmposition intakt; kein Wegdrehen
- Schleifkontakt im Druckbein noch vorhanden
Zeitpunkt
Gerät verlässt die Hand
Dies ist der wichtigste Zeitpunkt für Messungen: Abwurfwinkel, Anstellwinkel, Verkantungswinkel, Abwurfgeschwindigkeit, uvm. Für Wissenschaftler ist dies folglich der ergiebigste Moment; jedoch nicht unbedingt für Trainer. Der ursachen-orientierte Trainer sieht hier primär viele Symptome, aber muss die Ursachen und damit den Korrekturpunkt in den vorherigen Phasen suchen.
 
12. Umsprung
Beobachtungspunkte
- Kontrolliertes Auffangen
- Im Wettkampf: nicht übertreten
- Seitlich wirkende Kräfte zu absorbieren?
Zeitpunkt
Auffangen und Abbremsen nach dem Wurf
Dies ist höchstens noch für die Anlaufkontrolle oder etwa bei der Suche nach Rückenverletzungen ein interessanter Analysepunkt. Bei der Betrachtung des Gesamtablaufs gibt einem ein kontrollierter Umsprung mit wenig Restgeschwindigkeit ausserdem einen Hinweis, ob die Kraft effizient und ohne seitliche Kraftvektor-Abweichungen in den Wurf übertragen wurde.
 
 
Tolles Material von René-Jean Monneret (frz)
Nirgends fand ich die Technik des Speerwerfens so kompakt und klar zusammengefasst, wie in den Publikationen von René-Jean Monneret. In 7 Mini Videos visualisiert der Dojen des Französischen Speerwurfs die Technik wie kein anderer. Im AEFA-Artikel "Rappel des bases téchniques" ist dies alles zudem in einer illustrativ hochstehenden Weise zusammengefasst, die ihresgleichen sucht.

Einzig beim Impulsschritt wird meiner Meinung nach die Bewegung des rechten Unterschenkel/Fusses falsch visualisiert (S. 12 im Paper und bei 30sec im dritten Video). Knie hochreissen und im Unterschenkel auspendeln macht weder funktionell Sinn, noch führte es der von ihm referenzierte Modellathlet Jan Zelezny auf diese Weise aus.
       
1. Speer-Tragelauf
2. Rückführung und Rückhaltelauf
3. Impulsschritt
4. Druckbein setzen
5. Stemmschritt
6. Abwurf
7. ganzer Slo-Mo-Wurf Zelezny

AEFA-Artikel Monneret
Website René-Jean Monneret